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1. April 2010

"Raus aus Afghanistan! - Aber wie?

WIESBADEN und die Welt

„Raus aus Afghanistan! – Aber wie?“
Vortrag und Diskussion mit Andreas Zumach
im Pariser Hoftheater am 30. März 2010


Kommentar von nachdenker63: Anerkennenswert, dass der Wiesbadener Kurier einen Reporter zu dieser kritischen Veranstaltung im Pariser Hoftheater geschickt hat (s.u.).
Andreas Zumach gilt als Experte auf den Gebieten des Völkerrechts, der Sicherheitspolitik, der Rüstungskontrolle und internationaler Organisationen. Er arbeitet im Palais des Nations, dem europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz) und Die Presse, sowie für den Rundfunk. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.


Der Bericht von Daniel Duben (Wiesbadener Kurier) bleibt sachlich distanziert und gibt eigentlich einen guten, wenn auch kurzen Überblick über den Vortrag. Einige Punkte kommen nach meiner Meinung jedoch zu kurz oder werden nicht in der nötigen Akzentuierung berichtet. Hier einige Ergänzungen und Anmerkungen aus meiner Sicht:
Wenn in dem Artikel einleitend davon die Rede ist, dass „kaum einer“ zu Zumachs Vortrag über dieses umstrittene Thema hinging (in Abwandlung des Spruches „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin!), so sollte nicht der Eindruck entstehen, dass der Krieg der deutschen Bevölkerung gleichgültig ist. Die Ablehnung des Einsatzes unserer Bundeswehr am Hindukusch ist durch Umfragen bei über 80% gesichert. Die Abstimmungen im Bundestag geben nicht die stille Abscheu und den zunehmenden Ekel wieder, mit der die Tötung von Frauen, Kinder und Männern im Namen der Demokratie, der Frauenrechte und der vermeintlichen Sicherheit Deutschlands wahrgenommen wird. In Afghanistan sind in den ersten zwei Monaten dieses Jahres mehr Zivilpersonen bei Militäraktionen der alliierten Truppen als bei Angriffen der Taliban getötet worden. Laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AP kamen bei Angriffen von US- und NATO-Soldaten sowie afghanischen Streitkräften seit Jahresbeginn 100 unbeteiligte Zivilisten ums Leben. Die Taliban töteten der Zählung zufolge etwa 60 Zivilpersonen. AP stützte sich bei der Zählung auf Angaben von US- und NATO-Vertretern sowie der afghanischen Regierung.
In einem kürzlich durch Wikileaks bekannt gewordenen Dokument der CIA http://file.wikileaks.org/file/cia-afghanistan.pdf wird ja auch befürchtet, dass diese öffentliche (angebliche) Apathie der europäischen Bevölkerung im Sommer dieses Jahres umschlagen könnte, wenn es zu weiteren Tötungen an der Zivilbevölkerung kommt. Als Mittel dagegen schlägt der CIA vor : „Appeals by President Obama and Afghan Women Might gain traction“
Dazu Fefe (in fefes blog, sehr lesenswert): „Weil die Franzosen und Deutschen Obama so vertrauenswürdig finden! Und mit Frauen kann man immer punkten bei uns.“

Zu der Frage eines Gastes, warum seiner Meinung nach der verborgene Widerstand der Deutschen so wenig öffentlich wird, weist Zumach darauf hin, dass die materiellen Sorgen der Deutschen in den letzten Jahren so zugenommen haben, dass kaum noch Energie für politisches Engagement bliebe.
In Wiesbaden gibt es übrigens beim Ostermarsch am Samstag, Treff am Hbf Wiesbaden um 10.30 Uhr Schlusskundgebung mit Kulturprogramm um 12.30 Uhr auf dem Mauritiusplatz eine Gelegenheit, seinen Unmut öffentlich zu zeigen.
Zurück zur Veranstaltung im Pariser Hoftheater (ich finde es übrigens sehr gut, dass man dort einen erweiterten Begriff von „Kultur“ hat, der politische Kultur einschließt!) und zum Artikel des Kuriers. Andreas Zumach hat in seinem Vortrag sehr beeindruckend geschildert, wie die militärische Intervention des Westens genau den gegenteiligen Effekt hat. Durch den militärischen Einsatz von unbemannten Drohnen zum Beispiel, der die Zahl der zivilen Opfer anwachsen lässt, werden den Taliban immer neue junge, zornige Männer ohne Perspektive zugetrieben. Der Einsatz dieser „Drohnen“ ist völkerrechtlich zunehmend umstritten.
Der einzige Ausweg und der erste notwendige Schritt ist, seiner - und meiner - Meinung nach, die verbindliche Ankündigung eines baldigen Abzugstermins der Interventionstruppen. Gleichzeitig sollte die westliche Kriegsgemeinschaft die ökonomische Unterstützung bedeutsam ausweiten ( im Moment ist das Einsatz-Verhältnis zivile zu militärischen Mittel = 1:100 USA, 1:7 BRD). Da es in Afghanistan eigentlich noch nie einen funktionierenden Zentralstaat gegeben hat, müssten erstmal die vorhandenen regionalen Machtstrukturen gestärkt und für die ca. 10 000 Opium-Bauern eine wirtschaftliche Alternative unterstützt werden (500 € pro Monat sind ein Klacks zu den Milliarden Dollars der Kriegskosten). Es gibt in manchen Regionen, so im niederländischen Einsatzgebiet (die ja gerade den Rückzug aus Afghanistan beschlossen haben) bereits erste erfolgreiche Initiativen (Anbau von erlesenen Gewürzen?).
Bei der Diskussion meldeten sich auch in Deutschland lebende Afghanen zu Wort, die zum Teil die Einschätzung Zumachs von der dringenden Änderung der westlichen Strategie teilten, jedoch auch starke Befürchtungen äußerten, dass die Taliban eigentlich nur eine pashtunische Vorherrschaft über die anderen Ethnien z.B. der Hazara, Tadschiken u.a. erreichen wollten.
Klar ist jedoch schon seit langem, dass der Krieg von keiner Seite,- auch nicht bei immens gesteigerten Einsätzen der USA - zu gewinnen ist, und auf diese Weise auch keine Demokratie mit gesicherten Frauenrechten „eingeführt“ werden kann (Macht der Westen da „seine Hausaufgaben“ oder ist nicht gerade in hier eine zunehmende “Aushöhlung“ demokratischer Strukturen zu beobachten? Womit wir wieder beim nicht beachteten Volkswillen zum Afghanistankrieg wären...).
Die Opfer der Zivilbevölkerung und die Traumatisierung der Kinder, deren Eltern oder Verwandte vor ihren Augen sterben, nehmen jedoch zu und schaffen über Generationen hinweg eine Kette von Hass und Trauer. Dieser Wahnsinn muss endlich gestoppt werden!
Der Artikel des Wiesbadener Kuriers (WK) weist darauf hin, dass geostrategische Interessen der USA und deren Konkurrenz mit China bei den Ursachen des Krieges eine wichtige Rolle spielen. Es geht um den Zugang zu Energiequellen (Öl, Gas) rund um das kaspische Meer. Hier wurde in der Diskussion mit den Gästen deutlich, dass der Kampf für den Einsatz von erneuerbaren Energien eine unmittelbare politische Bedeutung haben kann. Je weniger Abhängigkeit vom Öl, umso weniger könnten Kriege wie in Afghanistan darin ein Treibmittel finden.
Dem Pariser Hoftheater ist zu danken, dass es diese kaum in der Öffentlichkeit und in den Medien offen geführte Diskussion ermöglicht hat. Nun sind wir dran...

Quelle:Wiesbadener Kurier 01.04.2010: "Zum Scheitern verurteilt"

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